Die Unternehmensberater von Roland Berger sind um ihren öffentlichen Selbstfindungsprozess nicht zu beneiden. Doch wer weiß? Totgesagte leben länger.
Der Tag der Entscheidung rückt näher. Am kommenden Mittwoch treffen sich die rund 250 Partner der Unternehmensberatung Roland Berger in Frankfurt, um die Weichen für ihre Zukunft zu stellen. In den letzten Monaten hat die Partnerschaft einige Schläge einstecken müssen. Die nach der geplatzten Fusion mit Deloitte 2010 unter dem damaligen Berger-Chef Martin Wittig eingeläutete Globalisierungsstrategie hat sich als zu kostspielig erwiesen. PwC und Deloitte gaben Berger nach Fusionsverhandlungen öffentlich einen Korb, was die Bergers alt aussehen ließ, obwohl sie die Gespräche gar nicht angezettelt hatten, sondern die Wirtschaftsprüferfirmen. Und auch wegen des von Burkhard Schwenker, dem alten, neuen Berger-Chef, eingeläuteten Sparprogramms sind viele in der Partnerschaft müde und mutlos. Umso mehr Respekt verdient Schwenkers Mut, Stehvermögen und Ideenreichtum. Er wird der Partnerschaft am 18. Dezember vorschlagen, an der Eigenständigkeit von Roland Berger unter allen Umständen weiter festzuhalten. Sein Credo: „Wir brauchen keinen Partner. Alleine sind wir stark genug.“
„Wir sind alleine stark genug“
„Ticken die bei Berger eigentlich noch richtig?“, mögen oberflächliche Beobachter spotten. Erst verhandelte das 2700-Mitarbeiter starke Beratungshaus monatelang mit allen möglichen Wirtschaftsprüfungsgiganten über seinen Verkauf, ließ sich von Private Equity-Firmen umgarnen und die Presse schrieb, ein Überleben als globale Managementberatung sei in der Bergerschen aktuellen Größenordnung nicht mehr möglich. Und jetzt wollen die Bergers allen Ernstes zum zweiten Mal (nach der geplatzten Fusion mit Deloitte im Jahr 2010) der Welt erklären, dass es doch alleine geht?
Den Neustart proben
Yes, they can! Und Schwenker sprüht derzeit nur so vor guten Ideen, wie die unabhängige Zukunft von Roland Berger aussehen kann. Schon in diesem Sommer konnte der 55-jährige Ökonom und Mathematiker seine Berger-Kollegen davon überzeugen, sich selbstbewusst von dem Globalisierungskurs zu verabschieden. Die Zielmarke lautet nun, eine mulitregionale Aufstellung zu erreichen. Nach dem Motto: warum sich nicht besser auf die Standorte in der Welt konzentrieren, an denen die Wirtschaftsdynamik am höchsten ist und sich dabei an den wichtigsten Branchen – etwa den Banken – orientieren? Um noch breiter in die Implementierungsberatung einzusteigen, gleichzeitig aber dabei noch die Fixkosten im Griff behalten zu können , ist Schwenker in diesem September mit einem Expert Network an den Start gegangen. Ihm sollen bereits 500 Berater angehören – ein Drittel Berger-Leute, zwei Drittel externe Spezialisten. So will Schwenker es bei Projekten rund um die Optimierung von Geschäfts- und Produktionsabläufen schaffen, seinen Kunden absolute Hyperspezialisten auch für Kurzfristeinsätze anbieten zu können. Die Projekte sollen von erfahrenen Berger-Leute gemanagt werden.
Hoffen auf eine Mehrheit
Schwenker hofft darauf, an diesem Mittwoch eine Mehrheit in der Partnerschaft für den wohl steinigeren, aber dafür auch zukunftsträchtigeren Weg zu gewinnen. „Das bisherige Geschehen rund um die geplante Fusion von PwC und Booz hat uns noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie schnell eine Traditionsberatung vom Erdboden verschwinden kann, wenn sie von einem größeren Partner geschluckt wird“, so ein Schwenker-Anhänger. „Die Strategieberatung Booz ist wesentlich älter als wir. Doch auch von diesem Haus wird nicht viel übrig bleiben, wenn der Zusammenschluss mit PwC tatsächlich zustande kommt“.
Exit-Strategie ist noch nicht vom Tisch
Auch etliche Berger-Partner wünschen sich nach wie vor, unter das Dach einer Großberatung zu schlüpfen. Eine solche Exit-Strategie hätte den Charme, den älteren Berger-Partnern Geld in die Kasse zu spülen und könnte – wenn eine Hochzeit glücklich endete – dazu beitragen, den globalen Sprung schnell zu schaffen. Und Interessenten für eine Übernahme von Roland Berger soll es durchaus noch geben. Auch wenn PwC und Deloitte der deutschen Vorzeigeberatung einen Korb gegeben haben. Zwar betonte EY-Chef Georg Graf Waldersee, vor wenigen Tagen erst, dass sein Haus zurzeit aus eigener Kraft in der Beratungssparte ein Wachstum von 30 Prozent verzeichne und deshalb „nicht auf Teufel komm raus” an einem Kauf interessiert sei. Doch der „einzigen internationalen Strategieberatung europäischen Ursprungs“ die Tür so ganz vor der Nase zuzuschlagen, das traute sich Graf Waldersee dann doch nicht. Aus gutem Grund. „Sollten die Booz-Partner und die Aufsichtsbehörden die angekündigte Fusion mit PwC tatsächlich durchwinken, muss EY nachziehen, um den Anschluss zum Marktführer im Prüfungs- und Beratungsgeschäft nicht zu verlieren“, urteilt Dietmar Fink, Direktor der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management und Beratung (WGMB) in Bonn.
Das Geschäft läuft noch zu gut
Doch selbst wenn Schwenker es am Mittwoch schafft, die Selbstheilungskräfte seiner Organisation wieder zu wecken, steht ihm harte Kärnerarbeit bevor. Auch seine treuesten Anhänger sagen, dass es schwer werden dürfte, ohne die Anschubkraft eines Fusionspartners von außen, die Kollegen zu einem wirklichen Strategiewechsel in eigener Sache zu bewegen. Dafür laufe das Geschäft einfach noch zu gut.